PRESSoo und ECPO – Zwei weitere Ontologien zur Beschreibung von fortlaufenden Sammelwerken

Die Modellierung von fortlaufenden Sammelwerken mittels des Referenzmodells FRBR gestaltet sich schwierig. Als Gründe seien vor allem die Unvollständigkeit von fortlaufenden Sammelwerken und die Heterogenität der in fortlaufenden Sammelwerken enthaltenen Manifestationen genannt.

Unvollständigkeit von fortlaufenden Sammelwerken
In den FRBR ist festgelegt, dass eine Manifestation in dem Sinn abgeschlossen sein muss, dass man ein Exemplar kaufen und ins Regal stellen kann. Bei fortlaufenden Sammelwerken ist das nicht möglich, solange es weitere Hefte und Jahrgänge im Fall von Zeitschriften oder Bände im Fall von Reihen oder Serien gibt.

Heterogenität der in fortlaufenden Sammelwerken enthaltenen Manifestationen
Teile einer Buchreihe können in einer weiteren Auflage in einer anderen Reihe oder selbständig veröffentlicht werden; Zeitschriftenhefte können als Themenhefte wiederum als Buch veröffentlicht werden.

Denkt man die Werke eher vom Inhalt und weniger von der physikalischen Erscheinungsform, so lassen sich diese Probleme in der bibliographischen Beschreibung umgehen. Mittels FRBRoo ist genau dieser Ansatz möglich (siehe z.B. in FRBRoo — eine Anwendung oder FRBR, Serials und CIDOC CRM).

Fortlaufende Sammelwerke und insbesondere Zeitschriften sind allerdings noch wesentlich komplexer in der bibliographischen Beschreibung, da auch historische Zusammenhänge erfasst werden müssen. Zwar lassen sich diese Informationen auch mit FRBRoo modellieren, jedoch nur sehr abstrakt und umständlich.

PRESSoo
Im März 2013 ist nahezu unbemerkt eine erste Version einer Erweiterung der FRBRoo für fortlaufende Sammelwerke erschienen. Die Erweiterung nennt sich PRESSoo (Version 0.1) und betrachtet neben einer groben Darstellung der Zusammenhänge der bibliographischen Einheiten insbesondere die Veränderungen im Laufe des Lebens eines solchen Werkes.

Dadurch lassen sich folgende Transformationen modellieren:

  • Fortsetzungen (z.B. Titeländerungen)
  • Ersetzungen (Fortsetzung mit neuer Erscheinungsweise)
  • Aufgehen eines fortlaufendes Sammelwerks in ein anderes
  • Abspalten eines Teils zu einem neuen fortlaufenden Sammelwerk
  • Zusammenführen von mehreren fortlaufenden Sammelwerken
  • Aufteilen eines fortlaufendes Sammelwerks in mehrere Neue

Zusätzlich lassen sich auch temporäre Veränderungen modellieren.

Für Fortsetzungen wird der Prozesss in PRESSoo mittels einer neuen Ereignis-Entität Z1 Serial Transformation modelliert. Diese Ereignisse stehen in natürlicher Beziehung zu den letzten F30 Publication Events des Vorgängerwerkes bzw. zu den ersten F30 Publication Events des Nachfolgewerkes. Dabei werden diese F30 Publication Events mittels Z6 Starting of Publication und Z7 Ending of Publication präzisiert.

PRESSoo-Figure-4

Beispiel 1:
Förderschulmagazin : individuelle Förderung von Kindern mit Lernschwierigkeiten
früher: Sonderschulmagazin : Compacts, Arbeitsvorlagen, Verfahren, Formen, Techniken für d. Unterrichtspraxis
früher: Ehrenwirth-Sonderschulmagazin : Zeitschr. für d. Unterrichtspraxis

PRESSoo-Beispiel-1

PRESSoo-Beispiel-1b

<http://ld.zdb-services.de/resource/800272-1> [
  a frbroo:F18_Serial_Work ;
  rdaGr1:preferredTitleForTheWork "Ehrenwirth-Sonderschulmagazin : Zeitschr. für d. Unterrichtspraxis" ;
  pressoo:Y1i_was_continued_through [
    a pressoo:Z1_Serial_Transformation ;
	pressoo:Y2_initiated_as_continuation <http://ld.zdb-services.de/resource/798053-x> ;
  ] ;
  pressoo:Y29_evolved_to <http://ld.zdb-services.de/resource/798053-x> ;
] .

<http://ld.zdb-services.de/resource/798053-x> [
  a frbroo:F18_Serial_Work;
  rdaGr1:preferredTitleForTheWork "Sonderschulmagazin : Compacts, Arbeitsvorlagen, Verfahren, Formen, Techniken für d. Unterrichtspraxis" ;
  pressoo:Y1i_was_continued_through [
    a pressoo:Z1_Serial_Transformation ;
	pressoo:Y2_initiated_as_continuation <http://ld.zdb-services.de/resource/1217829-9> ;
  ] ;
  pressoo:Y29_evolved_to <http://ld.zdb-services.de/resource/1217829-9> ;
] .

<http://ld.zdb-services.de/resource/1217829-9> [
  a frbroo:F18_Serial_Work;
  rdaGr1:preferredTitleForTheWork "Förderschulmagazin : individuelle Förderung von Kindern mit Lernschwierigkeiten" ;
] .

PRESSoo ermöglicht neben den diversen Transformationen auch die Modellierung von Faksimiles, Digitalisierungen ((Hier kommt auch die CIDOC CRM-Erweiterung CRMdig zum Einsatz.)) und sogar kumulierten Fassungen. Die Modellierung von Kumulationen kann bespielsweise für die Bindeeinheiten in Bibliotheksbeständen herangezogen werden. Dabei wird dann das zugehörige F30 Publication Event durch die Buchbinderei durchgeführt.

Beschreibung der Entität Z12 Issuing rule
Im deutschen Bibliothekswesen entwickeln sich derzeit einige Mikroontologien rund um die Darstellung von Bibliotheksservices und bibliographischen Metadaten im Linked Data Kontext. Als Beispiele seien hier DAIA, PAIA, DSO, SSSO, MWO und ECPO genannt. Letztere stellt eine Ontologie zur Beschreibung von Erscheinungsweisen und Bestandsverläufen bei fortlaufenden Sammelwerken dar. ((Die Ontologie geht davon aus, dass auch von Zeitschriften Exemplare exisitieren (“An Agent always holds a copy of a document called item.”). Im Sinne der FRBR ist das allerdings so nicht korrekt und gilt nur in dem Fall, dass ein fortlaufendes Sammelwerk sein Erscheinen eingestellt hat. Mit PRESSoo wurde daher eine Entität Z9 Storage Unit eingeführt, die die Bestände von z.B. Bibliotheken beschreibt. ECPO ist allerdings so definiert (es wird keine Aussage zur Domain bei den zentralen Relationen gemacht), dass die Konzepte auch für F18 Serial Work anwendbar sind.)) Somit lassen sich also Entitäten Z12 Issuing Rule aus PRESSoo mit Hilfe von ECPO beschreiben.

Beispiel 2: CCQ – Cataloging & classification quarterly
Erscheinungsverlauf nach ZDB: 1.1980/82; 2.1982; 3.1982/83 –

<http://ld.zdb-services.de/resource/801602-1> [
  a frbroo:F18_Serial_Work;
  rdaGr1:preferredTitleForTheWork "Cataloging & classification quarterly" ;
  pressoo:Y38_has_current_issuing_rule [
    a ecpo:CurrentChronology, pressoo:Z12_Issuing_Rule ;
    dct:hasPart [
      a ecpo:Chronology, pressoo:Z12_Issuing_Rule ;
      ecpo:hasItemizedVolumeNumbering "1" ;
      ecpo:hasItemizedTemporal "1980/82" ;
    ];
    dct:hasPart [
      a ecpo:Chronology, pressoo:Z12_Issuing_Rule ;
      ecpo:hasItemizedVolumeNumbering "2" ;
      ecpo:hasItemizeTemporal "1982" ;
    ];
    dct:hasPart [
      a ecpo:CurrentChronology, pressoo:Z12_Issuing_Rule ;
      ecpo:hasBeginVolumeNumbering "3" ;
      ecpo:hasBeginTemporal "1982/83" ;
    ];
  ];
] .

Fazit
Mit den beiden hier beschriebenen Ontologien ließe sich die deutsche Zeitschriftendatenbank (ZDB) CIDOC CRM-kompatibel als Linked Data veröffentlichen und würde so eine integrierte Verwendung im gesamten Bereich des kulturellen Erbes ermöglichen.

FRBRoo — eine Anwendung

In den letzten Jahren habe ich mich im Rahmen des von der DFG geförderten Projektes “ArcheoInf – Informationszentrum für die Archäologie” mit dem CIDOC CRM und der zugehörigen Erweiterung FRBRoo beschäftigt.

Ziel des Projektes war es, “Primärdaten archäologischer Forschung, die bisher in heterogenen Datenstrukturen vorgehalten wurden, unter Wahrung ihrer Autonomie in einer gemeinsamen Umgebung web-basiert verfügbar” zu machen. Mit den archäologischen Primärdaten sollten bibliothekarische Informationen und Dienstleistungen sowie geoinformatisches Datenmaterial verbunden werden.

Aufgrund der als “Best Practice” einzuordnenden Erfahrungen aus den britischen Strukturen zur Erhaltung des kulturellen Erbes (z.B. English Heritage, British Museum), war uns sehr früh bewusst, dass ein System wie ArcheoInf nur auf Basis des CIDOC CRM gelingen kann.

Was ist das CIDOC CRM?

Beim CIDOC Conceptual Reference Model handelt es sich um eine Norm (ISO 21127:2006) für den kontrollierten Austausch von Informationen im Bereich des kulturellen Erbes. Die Ontologie soll unter anderem von Archiven, Bibliotheken und Museen zur Verbesserung der Verfügbarkeit von Wissen angewandt werden. Es wurde vom CIDOC, einem der 30 internationalen Komitees des International Council of Museums (Internationalen Museumsrats, ICOM) entwickelt.

Mit dem CIDOC CRM wird das Ziel verfolgt, die vielfältigen Informationen im Bereich des kulturellen Erbes gemeinsam zu erfassen und einen allgemeinen Rahmen ihrer formalen Semantik zur Verfügung zu stellen, damit jede Information dieses Bereichs den Begriffen des CIDOC CRM zugeordnet wer-den kann. Auf diese Weise werden wichtige Voraussetzungen für die Informationsintegration geschaffen, da auf der Grundlage des CIDOC CRM Werkzeuge zur Schematransformation und -integration entwickelt werden können.

Das CRM beruht auf zwei Hierarchien von Entitäten und Eigenschaften und erlaubt ein hohes Maß an semantischer Präzision. Es eignet sich daher als eine Art Zwischenformat, dessen Verwendung die Anzahl der notwendigen Mappings dramatisch reduziert, wenn verschiedene Quellformate und mehrere Zielsprachen benötigt werden. Die wichtigste Eigenschaft des CIDOC CRM ist allerdings die Ereigniszentriertheit, d.h. es wird davon ausgegangen, dass jedes Objekt nur dann existiert, wenn vorher ein Ereignis stattgefunden hat, welches das Objekt zum Resultat hat.

Aber es fehlen Strukturen für bibliographische Daten!

Das CRM erlaubt Mappings beliebiger Datenmodelle. Für einige der im Bereich des kulturellen Erbes einschlägigen Modelle liegen generische Mappings vor, die von den Entwicklern des CRM veröffentlicht wurden. Die im Rahmen des CRM-Entwicklungsprojekts entworfenen Mappings für Dublin Core (DC), Encoded Archival Description (EAD), Lightweight Information Describing Objects (LIDO) und anderer Modelle und Formate orientieren sich an den im CRM-Entwicklungsprozess ausgearbeiteten Empfehlungen.

FRBRoo ist die objektorientierte Version der FRBR (siehe auch Tillet: What is FRBR? und Wiesenmüller: Zehn Jahre ‘Functional Requirements for Bibliographic Records’) und ermöglicht die gemeinsame Darstellung von Bibliotheks- und Museumsdokumentation. Damit ist es möglich, interoperable Informationssysteme für alle Nutzerinnen und Nutzer zu implementieren, die ein Interesse daran haben, auf gemeinsame oder verwandte Inhalte kultureller Einrichtungen zuzugreifen.

Mit der Entwicklung der FRBRoo ging eine gegenseitige Anreicherung der FRBR und des CIDOC CRM einher:

  • Ergänzung der FRBR um Zeit und Ereignisse,
  • begriffliche Abklärung der Entität Manifestation,
  • explizite Modellierung von Aufführungen und Aufzeichnungen, die in den FRBR erwähnt sind,
  • Ergänzung des CRM durch die Entität Werk und
  • Ergänzung des CRM durch einen Identifikator-Vergabeprozess.

FRBRoo fügt damit den FRBR die dynamischen Aspekte des CRM hinzu. Ferner erlaubt es, aufgrund der netzartigen Struktur des CRM, bibliographische Informationen in Linked Data Kontexte zu übertragen.

FRBR, Serials und die fehelende Manifestation

Spätestens mit der Frage nach “FRBR and Serials” innerhalb des lobid.org-Projektes des hbz, habe ich mich entschlossen, mehr über meine Ergebnisse zum CRM und zu FRBRoo zu berichten.

In den nächsten Beiträgen dieses Blogs werde ich auf Basis der Publikationsformen nach dem bibliothekarischen Standardwerk “Bibliothekarisches Grundwissen” die Sichtweise der FRBRoo darstellen und zeigen, dass die Fragestellungen bzgl. der “Serials” sich damit beantworten lassen.

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